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Ina-Maria Kowald - Malerei und Werkzusammenhang

Der Werkzusammenhang bei Ina-Maria Kowald ist gekennzeichnet von einer einmaligen Dichte und Variationsbreite. Dies trifft sowohl auf ihre Malerei als auch auf ihr graphisches Werk zu.

Gemäß der Aussage, dass man ein Motiv mehrmals bearbeiten muss, um es zu verstehen und künstlerisch zu deuten (Edgar Degas), arbeitet die Künstlerin auch mit Serien ihrer Motive. Dabei versteht sie es, Malerei und Poesie zu verbinden.

In wundersamen Kompositionen erscheinen die verschachtelten Häuser eines Dorfes, wie z.B. der Insel Santorin, oft auch verbunden mit der atmosphärischen Wirkung des Meeres, von der die Insel umgeben ist. Visionen, schemenhafte Silhouetten eines Dorfes, farbige Auflösungen erscheinen in einem wundervollen Spiel von Licht und Farbe.

Die Vorstellungswelt der Malerin geht jedoch auch über realistische Wirkungen hinaus. Hier begegnet man einer Imagination, die man im Mittelalter als „Gesichte" bezeichnete: Plötzlich ist es ein Weg oder ein Treppenaufgang, der wie aus dem Nichts auf der Leinwand erscheint und ein Motiv sichtbar macht und erschließt - der Gedanke wird zum Bild.

Verschiedene Möglichkeiten erschließen sich dabei in der Malerei und der Graphik der Künstlerin. So gehen reale Figuren und Objekte einer Dorflandschaft von der Perspektive in die Fläche über. Gerade in der Graphik löst sie gerne das Motiv auf. Gegenständliche Bestände werden zu geometrischen Figuren, ornamentalen Ordnungs- und Gliederungsmomenten. Häuser- und Gegenstandsformen wandeln sich um zugunsten eines Spiels abstrakter bildnerischer Mittel. Taktformen, rhythmische Reihungen, schachbrettartige Streifen verziehen sich filigran in einer verräumlichenden Tendenz.

In ihren gegenständlichen und abstrahierten Landschaften zeigt sich die Meisterschaft der Künstlerin vor allem in der Art und Weise ihrer Farbbehandlung, bzw. ihres vielfältigen Repertoires der Farbanwendung.

So setzt sie Farbe lasierend und transparent und halbtransparent ein, um z.B. einen Blauton raumgreifend wirken zu lassen. Oder Ocker- und Brauntöne werden pastos wie Gips aufgestrichen, um reliefartige Wirkungen zu erzielen und verschiedene Verlaufsspuren zu kennzeichnen.

Des Weiteren verfügt die Malerin über zwei völlig verschiedene Ansätze der Farbdarstellung. Sie ist in der Lage, sowohl sehr bunte, kontrastreiche Kompositionen, als auch gebrochene Farbtöne innerhalb eines monochromen Farbtonwertgefälles zu schaffen.

Differenzierte, getrennte Beachtung verdienen die Gemälde und die graphischen Arbeiten der Künstlerin.

Die gemalten Landschaften und Stillleben bestechen durch ihre lineare Struktur und ungemein zeichnerisch dichte Komposition.
Die graphischen Arbeiten auf Papier offenbaren bei aller zeichnerischen Dichte eine in vielfältigsten Nuancen angelegte Farbigkeit.

Diese Qualitäten kennzeichnen eine Künstlerin, die in seltener Schaffenskraft einen vielseitig angelegten Werkzusammenhang ständig erweitert.

Dr. Michael Ursprung
Städel Frankfurt